Kommunikation stellt uns oft vor ungeahnte Herausforderungen: Dinge werden nicht gesagt, werden anders aufgefasst, als man dies wollte, oder man schafft es einfach mal nicht, das zu vermitteln, was einem gerade wichtig ist. Die Kommunikation für Angehörige psychisch Kranker geht häufig noch einen Schritt weiter und schwieriger!
Psychische Krankheitsbilder gehen mit einer veränderten der (Selbst)-wahrnehmung einher, daher wird gesagtes noch viel leichter anders interpretiert und aufgefasst, als dies vielleicht gemeint ist. Die Krankheit kann die Art und Weise beeinflussen, wie Informationen verarbeitet werden, man Emotionen ausdrückt und auch wie mit anderen interagiert wird. Auch entwickeln manche Erkrankte äußerst sensible Antennen, wenn das Gesagte nicht ganz zu dem passt, was sie gerade wahrnehmen und können äußerst empfindlich darauf reagieren. Daher ist es umso wichtiger, klar in der eigenen Kommunikation zu sein, emphatisch zuzuhören und auch offene Punkte aufzuklären.
Um das Thema nicht zu umfangreich zu gestalten, werde ich das Thema “Kommunikation in Krisensituationen” demnächst in einem gesonderten Beitrag behandeln. Gerne kannst du dich aber melden, solltest du vorab Fragen dazu haben.
Lesetipp: Der Beitrag enthält einige hilfreiche Tipps für dich und deinen Kommunikation als Angehörige:r. Jede Situation ist allerdings individuell – nimm dir also nur die Tipps mit, die gerade für dich passen und die du gut umsetzen kannst!
Die gute Nachricht: Genau diese Kommunikationsprobleme können eine enorme Chance für dich sein, deine Kommunikation zu verbessern. Das wirkt sich nicht nur positiv auf dich und dein geliebtes erkranktes Familienmitglied aus, sondern auf alle deine Gespräche! Ohne die Schizophrenie meines Vaters wäre ich wohl nie in der Lage gewesen oder hätte die nötige Motivation aufgebracht, mich so intensiv mit dem Thema Kommunikation zu beschäftigen und immer wieder daran zu arbeiten.
Ein paar Beispiele für Kommunikationsprobleme Angehörige:r
Es gibt natürlich unzählige Beispiele für Kommunikationsprobleme und herausfordernde Situationen. Hier nur ein paar – dir fallen sicherlich auch viele ein:
- Du bist als Angehörige vielleicht einfach müde oder es beschäftigt dich noch etwas, weil die Arbeit heute stressig war. Dein Gegenüber fasst dies allerdings so auf, als wärst du von ihm/ihr genervt und bezieht dies auf die gemeinsame Beziehung. Das führt natürlich zu Problemen und oft auch Diskussionen.
- Eine vereinbarte Abmachung kann von nicht gehalten werden. Das führt zu Diskussionen.
- Ratschläge wie „Du musst die Tabletten nehmen, damit es dir besser geht“, „Du musst aufstehen“ schaffen immer wieder Konfliktgespräche.
- „Da spricht niemand mit dir im Radio.“
- Du bist einfach gerade selbst überfordert und kannst nicht so gut und ruhig reagieren, wie du es unter anderen Umständen getan hättest.
- …
Einige Gründe für problematische Kommunikation für Angehörige psychisch Kranker
Missverständnisse aufgrund von Symptomen
Psychische Erkrankungen können zu Missverständnissen führen, da die Betroffenen möglicherweise Schwierigkeiten haben, ihre Gedanken und Gefühle klar auszudrücken oder man sich selbst zurücknimmt, um den anderen nicht zu belasten. Manche Schilderungen sind schlichtweg auch schwer nachvollziehbar, wie beispielsweise nur negative Gedanken in einer akuten Phase der Depression oder psychotische Wahrnehmungen, über welche man nicht diskutieren kann.
Stigmatisierung & Scham
Oft fühlen sich psychisch erkrankte Personen stigmatisiert und haben Schwierigkeiten, über ihre Probleme zu sprechen. Als Angehöriger ist es wichtig, ein unterstützendes und verständnisvolles Umfeld zu schaffen, in dem sie sich sicher fühlen können, offen zu kommunizieren.
Emotionale Überlastung
Angehörige können sich überfordert fühlen, besonders wenn sie mit unvorhersehbarem Verhalten oder emotionalen Ausbrüchen konfrontiert sind. Es ist wichtig, Geduld zu haben und sich selbst Raum zur Erholung zu geben, um die Kommunikation aufrechtzuerhalten.
Mangelnde Information über die Krankheit
Viele Angehörige fühlen sich hilflos, weil sie nicht genug über die Erkrankung ihres geliebten Menschen wissen und so auch Situationen schwerer einschätzen können.
Widerstand gegen Behandlung und Unterstützung
Viele Angehörige kämpfen immer wieder mit fehlender Krankheitseinsicht oder dem Widerwillen gegen Behandlungen und/oder Unterstützung. Die dadurch entstehenden Diskussionen belasten die gemeinsame Beziehung oft sehr.
Fehlende Grenzen und Selbstfürsorge
Sich selbst zum Wohle aller immer wieder in den Mittelpunkt zu stellen, fällt vielen Angehörigen schwer. Aktive Selbstfürsorge ist jedoch wichtige Voraussetzung dafür, Situationen gut meistern zu können und sich nicht zu überfordern.
Negative Kommunikationsmuster
Übermäßiges Kritisieren, Schuldzuweisungen oder Ignorieren können die Kommunikation belasten.
Vergiss nie: Jede Situation ist individuell. Wenn du merkst, dass die Kommunikation mit deinem psychisch erkrankten Familienmitglied immer wieder Probleme und negative Gefühle auf beiden Seiten verursacht, empfehle ich dir, dir Unterstützung zu holen und dies näher in einem Coaching zu betrachten.
Auch in meinen Workshops für Angehörige beschäftigen wir uns intensiv mit dem Thema Kommunikation für Angehörige psychisch Kranker. Du lernst praktische Übungen zur Umsetzung und hast auch die Möglichkeit für dich zu klären, was du künftig in deiner Kommunikation verändern möchtest.
Kommunikationstipps für Angehörige von psychisch Kranken
Anbei erhältst du meine persönlichen Tipps in der Kommunikation mit unserem geliebten Familienmitglied. Nimm dir die, die gut für dich passen und sei auch mutig, diese auszuprobieren:
Aktiv zuhören
Der Klassiker der Kommunikationstechniken ist das aktiv zuhören. Insbesondere in der Kommunikation für Angehörige psychisch Kranker ist diese besonders hilfreich, den viele Denk-, Gefühls- und Handelsmuster sind nicht immer auf Anhieb nachvollziehbar. Daher ist es umso wichtiger, immer wieder darauf zu achten, dass alle Beteiligten vom Gleichen Reden. Zum aktiven zuhören gehört
- Paraphrasieren: Wiederhole, was du verstanden hast. So stellst du sicher, dass ihr beide das gleiche Verständnis zum Thema habt.
- Nachfragen: Aktiv nachzufragen hilft dem gemeinsamen Verständnis. Zudem zeigt es Interesse an der Gedanken- und Innenwelt des Gegenübers.
- Unklares klären: Sei mutig und kläre eventuelle Missverständnisse liebevoll und klar auf.
- Verbalisieren: Die Emotionen beider Seiten zeigen und klären. Sei auch du mutig, über deine Gefühle zu sprechen. Achte aber darauf, wie du diese kommunizierst. Ein „Ich bin heute müde, weil sehr viel los war“ klingt anders als ein „Du überforderst mich“. Achte natürlich darauf, dass die Botschaft stimmt und der Wahrheit entspricht.
- Zusammenfassen: Fasse immer wieder die Kernpunkte, die ihr besprochen habt, kurz zusammen. So werden lange und komplexe Gespräche besser strukturiert und es ist einfacher zu folgen. Das hilft gerade in schwereren Phasen, wenn die Aufnahmefähigkeit vielleicht eingeschränkter ist, das gemeinsame Verständnis zu fördern.
Aktiv zuhören klingt in der Basis sehr leicht und logisch, in der Praxis vergessen wird diese äußert hilfreiche Technik jedoch häufig. Dass führt auch im Alltag – egal mit wem – oft zu Missverständnissen und Problemen.
Sei geduldig mit dir und versuche immer wieder kleine Punkte umzusetzen. Es ist auch normal, dass man es sich insbesondere zu Beginn etwas „komisch“ oder „künstlich“ anfühlt, aktiv zuzuhören. Mit Übung fließen die obigen Punkte aber natürlicher ein und können mit der Zeit auch in deinen natürlichen Kommunikationsstil einfließen.
Vermeide Doppelbotschaften
Eine Doppelbotschaft ist, wenn du zu etwas „ja“ sagst, aber innerlich – bewusst oder unbewusst – eigentlich nein sagen möchtest.
Gerade Angehörige berichten oft, dass dies im Alltag immer wieder zu großen Konflikten führt. Viele psychisch Kranke haben ein sehr gutes Gespür und Wahrnehmung, was Gefühle angeht, können Körperhaltungen (unbewusst) interpretieren und merken, wenn etwas nicht ganz stimmig ist.
Wichtig für dich, im Hinterkopf zu behalten: das bedeutet nicht, dass dein Gegenüber immer zu der richtigen Schlussfolgerung kommt. Manchmal hat unsere Körperhaltung oder unsere Emotion nichts mit dem Gegenüber zu tun, und trotzdem wird dies als Unwahrheit verstanden.
Tipp: Sei möglichst klar und offen in deiner Kommunikation als Angehörige eines psychisch Kranken. Wenn dich dein Gegenüber beispielsweise fragt, was los ist oder dich nicht ganz so liebevoll mit “Du hast doch was!” anspricht, könntest du beispielsweise versuchen, anstelle von „alles gut“ kurz inne zu halten und nachzuspüren. Danach könnte deine Antwort lauten „Mich beschäftigt das gerade sehr, aber nachdem ich momentan auch keine bessere Lösung für das Problem habe, sage ich mal ja und wir probieren es so.“
Achte auf deine innere Haltung, um Kommunikation auf Augenhöhe zu gewährleisten
Gerade wenn man sich über einen längeren Zeitraum von Krise zu Krise bewegt, kann es als Angehörige schon passieren, nur noch die Krankheit und dessen Bewältigung im Fokus zu haben. Kommunikation von Mensch zu Mensch auf Augenhöhe beseitigt jedoch den Druck auf beiden Seiten.
Nur noch die Probleme im Blick zu haben führt oft auch dazu, dass man in der innerlichen Motivation in eine sogenannte Weg-Von-Bewegung rutscht. Das bedeutet, du möchtest dich weg von den Problemen und der Erkrankung bewegen und übersiehst die Person dahinter. Meist führt dies dazu, dass man die Dinge, welche man für den Anderen tut, hauptsächlich als Belastung empfindet. Auch der Gegenüber reagiert oft mit Widerstand und Abwehr.
Tipp – immer wieder in die Hin-Zu Bewegung wechseln: Hol dir immer wieder den gesamten wunderbaren Menschen in deine innere Haltung. Was funktioniert trotzdem gut? Welche wunderbaren Eigenschaften magst du an ihm/ihr sehr?
Dadurch verändert sich deine innere Haltung wieder. Den nun sprichst du mit der gesamten Person, welche auch Probleme hat, aber auch viele andere Aspekte und kommst wieder in eine innerliche Hin-Zu-Bewegung. So ist es beispielsweise möglich, sich wieder mehr die gemeinsame Zeit zu freuen, anstatt eine Tätigkeit als Verpflichtung zu sehen. Auch dein Gegenüber wird diese Veränderung bemerken, denn für niemanden ist es angenehm, als To-Do oder Problem wahrgenommen zu werden.
Bleib in deiner Rolle
Angehörige laufen häufig Gefahr, in Rollenkonflikte zu geraten. Plötzlich bist du nicht mehr nur Partner, Elternteil oder Kind, sondern auch Angehörige.
Es wird versucht, die fordernden Situationen zu lösen und so kann es vorkommen, dass aus Hilfsbereitschaft heraus unbewusst auch andere Rollen übernommen werden: man versucht Retter, Therapeut oder Pfleger zu werden.
Rollenwechsel führen jedoch zu Konflikten, denn das Gegenüber zeigt verständlicherweise Widerstand, weil man versucht, sie oder ihn zu therapieren oder zu retten. Achte daher darauf, in deiner Rolle als Angehöriger zu bleiben. Wenn du Kind bist, bleibe auch (weitgehend) in der Rolle des Kindes, und als Partner bleibe auch Partner. Das schafft Klarheit und Erleichterung für alle Beteiligten, denn umso fordernder eine psychische Erkrankung ist, desto schwieriger wird es, alles allein und auch gut zu schaffen.
Du möchtest deine Kommunikation verbessern?
In unserem Workshop für Angehörige psychisch Erkrankter hast du die Möglichkeit dazu
Lebensfreude trotz Herausforderungen (Hotel Sperlhof Windischgarsten)
In Kontakt bleiben und Selbstfürsorge – Kontaktabbruch vermeiden
Ich werde das Thema Kontaktabbruch demnächst in einem eigenen Beitrag behandeln, da dies an dieser Stelle zu umfangreich wäre. Hier allerdings ein paar Punkte in aller Kürze:
Achte darauf, gut und fördernd in Kontakt zu bleiben. Um dies zu können, ist es nötig immer wieder auf die eigenen Grenzen, Wünsche und Bedürfnisse gut zu achten und auch mal liebevoll nein zu sagen – zum Wolle aller – oder sich etwas Gutes zu tun. So wird Überforderung vorgebeugt.
Vorübergehende Kontaktabbrüche können leider nicht immer vermieden werden, eine möglichst gute Kommunikation und Beziehungserhalt können aber das Risiko verringern. Auch seitens psychisch Erkrankter passieren in Akutphasen immer wieder Kontaktabbrüche.
Immer wieder berichten Angehörige davon, dass sie so lange versucht haben alles zu lösen, bis sie nicht mehr konnten und einen klaren Kontaktabbruch als einzige Lösung setzen mussten. Die meisten Beschreiben dies als kurzfristig erleichternd, allerdings sind Kontaktabbrüche immer auch mit Scham und Schuld verbunden und belasten alle Beteiligten sehr.
Versuch in guten und positiven Kontakt zu bleiben. Manchmal ist es besser auch mal nein zu sagen, als aus Verantwortungsgefühl noch etwas zu übernehmen.
Durchatmen und einen Schritt zurücktreten
Der abschließende Tipp klingt einfach und doch vergessen wir diesen in hitzigen Situationen oft: einfach mal tief durchatmen und innerlich einen Schritt aus der Emotion rausgehen. So vermeiden wir etwas zu sagen, dass wir später bereuen oder ein Gespräch noch weiter anzufachen.
Wichtig: tiefe Atmung ist hilft wunderbar, um sich zu erden und wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Wenn wir Atmung allerdings nicht aktiv üben, denken wir in herausfordernden Situationen oft nicht daran. In meinem Beitrag zu Atemtechniken findest du einige Übungen, mit denen du starten kannst.
Fazit und Vorteile
Abschließen möchte ich dir nur einige Beispiele nennen, was sich dank der Kommunikationsherausforderung als Angehörige – wenn du diese aktiv angehst – in deinem Leben verbessern kann. Die Liste ist nur ein kleiner Auszug aus meinen persönlichen Erfahrungen 😉
- Ehrlich und offen über Themen, Gefühle und Gedanken zu reden, auch wenn etwas mal nicht so angenehm ist.
- Lernen, nicht immer stark sein zu müssen.
- Klare Grenzen, Wünsche und Bedürfnisse offen zu kommunizieren.
- Kommunikation auf Augenhöhe.
- Sich Zeit und Aufmerksamkeit für ein Gespräch nehmen.
- Nicht zu viel interpretieren und auf Basis eigener Erfahrungen schlussfolgern, sondern erfragen, in die Perspektive des anderen hineinversetzen und Schlüsse überdenken.
- In schwierigen Gesprächen ruhig zu bleiben und nicht von Emotionen übermannt zu werden.
Das Thema Kommunikation für Angehörige psychisch Kranker kann hoffentlich auch deine Chance sein, deine Kommunikation und Beziehungen in allen Lebensbereichen zu verbessern. Gerne unterstütze ich dich auf deinem Weg!
Weitere nützliche Beiträge für Angehörige eines psychisch Kranken
©freudedeslebens Lebensfreude Praxis – Doris Wansch. Einzelcoachings & Workshops für Angehörige von psychisch Erkrankten.
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Autorin: Doris Wansch – Lebensfreude Praxis.
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